Europa ist mehr als die EU
Seine Geschichte, seine geografische Lage und seine politischen Herausforderungen machen Europa zu einer Schicksalsgemeinschaft. Durch enge Zusammenarbeit kann Europa zudem seinen Wohlstand mehren. Daher wollen wir Europa stärken – und Deutschland gleich mit.
Wir wollen dies nachhaltig tun. Daher ist Augenmaß angebracht, um die breite gesellschaftliche Unterstützung sicherzustellen. 27 europäische Staaten haben sich zur Europäischen Union zusammengeschlossen. Die EU soll nicht den Nationalstaat abschaffen, sondern ihn dort ergänzen, wo dies einen Mehrwert für aller ergibt. Moderne Staatlichkeit weist Aufgaben jeweils der Ebene mit der größten Problemlösungskompetenz zu: so fügt sich die EU als eigene Ebene in die Kompetenzschichtung von Kommunen, Ländern und dem Bund ein, zum Beispiel bei der Regulierung des Binnenmarktes, bei der Handelspolitik, in Teilen der Umweltpolitik, etc. Zudem könnten der EU auch bestimmte Treuhandfunktionen übertragen werden, für die die idealerweise zuständige globale Ebene (noch) nicht handlungsfähig ist, zum Beispiel in der globalen Umwelt- und Klimapolitik.
Die Mitgliedschaft in der EU ist freiwillig, und das ist gut so, auch wenn ein Austritt für alle Beteiligten nachteilhaft ist, wie der Austritt des Vereinigten Königreiches gezeigt hat. Wir treten weiterhin für enge, Beziehungen mit dem VK ein und für eine institutionell möglichst offene EU. So ist die Teilnahme Norwegens und Islands – beides keine Mitgliedstaaten – am Binnenmarkt und im Schengenraum auch für die EU vorteilhaft und beide Staaten tragen im Gegenzug zur EU-Förderung für wirtschaftlich schwächere Regionen bei. Andererseits sind einige Mitgliedstaaten nicht Mitglieder des Schengenraumes oder der Währungsunion, weil sie die Bedingungen (noch) nicht erfüllen, oder, wie Schweden und Dänemark, dies nicht wollen. Auch Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im Euro ist wünschenswert; sie stellt kein „Europa à la carte“ dar, da durch eine Nicht-Teilnahme kein anderes Land in seinen souveränen Rechten beeinträchtig wird. In demselben Sinne begrüßen wir auch, dass die EU viele Gemeinschaftsprogramme, z.B. für Forschung und Bildung, für Drittstaaten geöffnet hat, die dafür Beiträge leisten. So leistet die EU einen Beitrag, künstliche innereuropäische Trennlinien zu verhindern. In diesem Sinne sollte die EU auch offen bleiben für neue Mitglieder im westlichen Balkan und, vor allem für die Ukraine, sobald diese die Beitrittsbedingungen erfüllen. Für die Lebenswirklichkeit der Menschen dort muss dies nicht tragisch sein, denn EU-Erweiterungen waren meist nur die politische Krönung eines Modernisierungsprozesses. Für die Ukraine sollte der Prozess dahin bestmöglich unterstützt werden.
Nicht alle Aufgaben mit europäischem Mehrwert müssen durch die EU wahrgenommen werden: So ist die NATO, d.h. die USA, nach wie vor der effektivste Garant für Europas Sicherheit. Selbst die aktuelle Bedrohung durch Russland, wie sie der russische Überfall auf die Ukraine dokumentiert, erfordert keine zwingende institutionelle Verbindung politischer und militärischer Macht in der Hand der EU.
Allerdings sollte eine enge diplomatische Kooperation, verteidigungspolitische Koordination sowie die gemeinsame Nutzung rüstungspolitischer Synergien die Bereitschaft der EU und ganz Europas untermauern, künftig eine größere Verantwortung für die Sicherheit des eigenen Kontinents zu übernehmen. Diese muss sich im Willen und der Fähigkeit ausdrücken, den Freiheitskampf der Ukraine wenn nötig in noch größerem Maße zu unterstützen als bisher. Diese Kooperation sollte nicht an den EU- Grenzen Halt machen, sondern auch NATO- Länder wie Norwegen, das VK und die Türkei einbeziehen. Als zentrale politische Institution des Kontinents steht die EU jetzt in der Verantwortung, die Sicherheit der Bevölkerung und ihrer Interessen wie die der gesamten freiheitlichen Gesellschaft der europäischen Staaten aktiv mit zu organisieren.
Der Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland ist aktuell nicht abzusehen. Aus der Vergangenheit wissen wir aber um die Bedeutung von Entspannungspolitik und Aufbau eines gegenseitigen Vertrauens. In diesem Sinne muss auch für Russland die Tür nach Europa prinzipiell geöffnet bleiben. Gerade wir Deutschen wissen um die Bedeutung von Handreichung und Neuanfang nach einem Angriffskrieg. Nach seinem Ende muss es – auf der Basis der Aufarbeitung dieser Aggression – letzlich um Verständigung und wirtschaftliche Annäherung nur für die Wiedergutmachung gehen. Die Fehler der deutschen Regierungen in Bezug auf die Fehleinschätzungen Putins dürfen nicht wiederholt werden. Die Interessen der Ukraine und der anderen europäischen Nachbarstaaten Russlands müssen einbezogen werden.
Europäische Union
Die EU ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, die sich auf pragmatische Integration gemeinsamer Interessen gründet, angefangen vom Zusammenschluss wirtschaftlicher Kernsektoren, bis zur wechselseitigen Anerkennung von Normen und Standards und der Freizügigkeit im Binnenmarkt, durch die der Wohlstand gemehrt werden konnte. Die Währungsunion erleichtert das (im EU-Schengenraum passkontrollfreie) Reisen und senkt die Kosten innereuropäischen Warenaustausches weiter. Wir begrüßen auch, dass der Binnenmarkt nicht auf die EU begrenzt ist, sondern auch andere Länder einschließt, wie Norwegen und Island. Die EU-Regionalpolitik fördert zudem wirtschaftliche Chancen für benachteiligte Regionen.
Um auf die neuen Herausforderungen der digitalen Transformation, der Umweltkrisen (Klima, Biodiversität und Verschmutzung), der breiten Sicherung unseres wirtschaftlichen Wohlstandes, der Migration sowie der Festigung der Rolle der EU in der Welt zu reagieren, bedarf es keiner Vertragsreform; wenn nötig helfen einstimmige Beschlüsse, zur Not nach Art. 48 (7) EUV, um das Einstimmigkeitserfordernis in einem Politikbereich aufzuheben.
Allerdings sind die Entscheidungsprozesse der EU aufgrund ihres hybriden Charakters zwischen Staatenbund und Bundesstaat notgedrungen komplex. Für viele Bürger bleiben sie obskur, was oft in Misstrauen mündet. Um die Errungenschaften der EU für die Zukunft zu bewahren, müssen wir die EU pragmatisch weiterentwickeln. Das geht ganz ohne Vertragsreform:
EU-Haushalt
Die Höhe des EU-Haushaltes ist dauerhaft auf 1,46% des EU-Bruttonationaleinkommens begrenzt und kann nur mit Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten geändert werden. Wir befürworten das im Vertrag festgelegte Verschuldungsverbot für den Haushalt, das die Transparenz der EU-Finanzen
garantiert. Die Durchbrechung dieser Vorschrift im Rahmen der Covid-19 Konjunkturinitiative („Next Generation Europe“), deren Mittel überwiegend auch 2 Jahre nach dem Ende der Pandemie noch nicht abgerufen sind und deren Rückzahlung vor allem durch die jüngere Generation erfolgen wird, muss eine Ausnahme bleiben.
Die Finanzierung des EU-Haushaltes wird mittlerweile überwiegend durch die Mitgliedstaaten im Rahmen eines Schlüssels nach Wirtschaftskraft gewährleistet. Folglich gestaltet sich das jährliche Haushaltsverfahren als Streit zwischen Parlament und Rat, in dem das EP mehr und der Rat weniger Ausgaben fordern. Die (vergleichsweise geringen) Kosten der EU sollte aber sichtbarer werden. Wir fordern daher, dass das EP – im Rahmen der gegenwärtigen einstimmig festgelegten Obergrenze – eine größere Verantwortung auch für die Finanzierung der Ausgaben erhält. Wir fordern ebenfalls, schon jetzt den proportionalen EU-Anteil in der persönlichen Einkommensteuer auszuweisen.
Binnenmarkt
Der gemeinsame Binnenmarkt bleibt der Kern europäischer Integration. Er hat ein größeres Wachstum von Unternehmen ermöglicht und die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas gestärkt. Die europäische Wettbewerbsaufsicht hat insgesamt effektiv marktmissbräuchliches Verhalten (Kartelle, Subventionen) verhindert, zuletzt bei digitalen Systemen wie Google und sozialen Plattformen. Europa ist gut darin, Normen und Standards zu entwickeln, die dann globale Nachahmung finden. Das gilt aber nur, solange Europa auch die innovativen Produkte herstellt, für die diese gelten.
Nach dem Austritt des VK und der Covid-Krise ist eine Stärkung der Industriepolitik zu verzeichnen, die auf die politische Auswahl und Förderung europäischer „Champions“ für den Weltmarkt abzielt und somit wettbewerbspolitische Interessen zurückzusetzen droht. Dass die staatliche Förderung von
„Champions“ aber kein Allheilmittel ist und mittel- und langfristig sogar zu Zweitklassigkeit führen kann, beweist z.B. das Beispiel der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, die in der Raketentechnik heute schon 10 Jahre hinter dem erst vor 20 Jahren gegründeten privaten Unternehmen Space-X zurückliegt und auch dazu beiträgt, dass es keine vergleichbaren privaten europäischen Raumfahrtunternehmen gibt. Wir wollen daher die Innovation der europäischen Wirtschaft ohne Subventionskultur und besseren Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen, um mehr disruptiven Wettbewerb zu ermöglichen.
Währungsunion
In der Währungsunion teilen einige Mitgliedstaaten das Zahlungsmittel, ohne eine fiskalische Union zu bilden. Dies ist entspricht der politischen Realität in Europa und kann funktionieren, wenn der Zahlungsausfall eines Staates oder einer Bank nicht die gesamte Währungsunion gefährdet. Wir wollen verhindern, dass der Steuerzahler noch einmal in großem Stil für von privaten Investoren gehaltene Anleihen eintreten muss, nur weil andernfalls eine Kettenreaktion von Zahlungsausfällen und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch droht.
Da in einer Krise jede „Ansteckung“ über das Bankensystem stattfindet, bedarf es einer Obergrenze für den Anteil nationaler Anleihen, die eine Bank halten darf sowie einer weiteren maßvollen Anhebung der Eigenkapitalanforderungen. Die gemeinsame Währung bedeutet nicht ein Recht auf gleiche Zinssätze für öffentliche Anleihen unabhängig von ihrer Bonität. Selbst in den USA treten die Bundesstaaten nicht gegenseitig für ihre Schulden ein. All dies schließt Solidarität im Falle einer Krise eines Mitgliedstaates nicht aus, sondern ermöglicht es vielmehr erst, Finanzmittel zurückzuhalten, um im Krisenfall für den Bürger auch spürbare Hilfe zu leisten. Wir fordern daher eine Regulierung des Bankensektors, die auf
eine maximale Durchtrennung des öffentlich-privaten Nexus abzielt sowie eine gesellschaftliche
„Eigenkapitalkultur“, also eine stärkere Finanzierung der Wirtschaft durch Beteiligungen wie Aktien und Crowdfunding.
Europäische Solidarität
Wir wollen europäische Solidarität als gesellschaftlichen Chancenausgleich, wie sie durch die europäischen Regionalfonds ermöglicht wird. Diese weisen wirtschaftlich benachteiligten Regionen Unterstützung bei der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu. Allerdings sehen wir auch Reformbedarf: Europäische Mittel müssen gegenwärtig zweckgebunden (normalerweise investiv, nicht konsumtiv) eingesetzt werden. Das ist richtig, führt aber zu einem hohen und oft ineffektiven Verwaltungsaufwand. Zudem lässt sich nur schwer nachweisen, dass Investitionen nicht auch ohne EU- Hilfen durchgeführt worden wären. Folglich sollten geförderte Regionen eine Wahlmöglichkeit erhalten zwischen a) dem bisherigen Modell der zweckgebundenen Zuschüsse mit Eigenbeteiligung, die auf mindestens 1/3 heraufgesetzt werden sollte, um das Eigeninteresse der Empfänger zu stärken und b) einem ungebundenen Zuschuss in Höhe von 2/3 des gesamten geplanten Zuweisungsbetrages für eine Region unter (a).
Die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung bedeutet aus unserer Sicht für den einzelnen Hilfsempfänger keinen Mehrwert, fällt konjunktur- wie fiskalpolitisch politisch kaum ins Gewicht, droht aber angesichts unterschiedlicher Verwaltungskulturen mehr Misstrauen zu schüren als europäische Solidarität zu befördern. Wir wollen europäische Solidarität als gezielten Chancenausgleich, aber nicht auf individueller Ebene: Je enger der regionale Bezug, desto größer die zu erwartende Solidarität für Menschen in Not.
Agrarpolitik
Die europäische gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in ihrer jetzigen Form bricht mit diesem Prinzip, was ihre Finanzierung angeht. Unter dem Eindruck der Lebensmittelknappheit nach dem 2. Weltkrieg wurde sie darauf ausgelegt, Versorgungssicherheit durch Garantiepreise für landwirtschaftliche Produkte zu gewährleisten. Später wurde die GAP WTO-konform umbestellt, als Preisausgleich für die Landwirte wird nicht mehr das landwirtschaftliche Produkt, sondern die Anbaufläche gefördert. Aber Empfänger ist – mit Ausnahme der Mittel für den ländlichen Strukturwandel – noch immer der einzelne Flächeneigentümer. Die europäische Agrarpolitik ist daher mittlerweile neben ihrem versorgungspolitischen Motiv auch eine ländliche Sozialpolitik und Landschaftspflege – Zuständigkeiten, die der nationalen oder regionalen Ebene zuzuordnen sind. Der Anteil der Agrarpolitik am EU-Haushalt sinkt daher seit Jahren, ein Trend, der nach unserer Ansicht im Sinne einer Neuordnung der Prioritäten energischer fortgesetzt werden sollte, ohne allerdings die Agrarmarktpolitik zu re-nationalisieren, da sonst ein Subventionswettbewerb drohen würde.
Leider gelingt der Umstieg hin zu einer stärker auf öffentliche Guter ausgerichtete Landwirtschaft, wie Klimaschutz, Artenvielfalt und Tierwohl, nur sehr langsam. Dabei ist die Aktualität des Gründungsmotivs der gemeinsamen Agrarpolitik, die Sicherstellung der Ernährungssicherheit, heute wieder aktuell. Kombiniert werden sollte es mit einer weiteren Stärkung der Nachhaltigkeit der Subventionszwecke. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit zu einer degressiven Förderung erhalten, um kleinere Betriebe deutlicher zu unterstützen.
Europäische Flüchtlingspolitik
Wir wollen eine Asyl- bzw. Flüchtlingspolitik, die sich auf die tatsächlich Berechtigten und auf das Machbare konzentriert und damit auch verhindert, dass sich die Migrationswilligen auf den gefährlichen Weg durch Wüsten und Meere machen. Das Sterben auf diesen Wegen muss verhindert werden. Ebenso dürfen die aufnehmenden Länder in Europa nicht überfordert werden durch eine zu große Zahl von Migranten. Dazu reicht der Luxemburger Asylkompromiss nicht.
Menschen, die im Mittelmeer oder auf dem Atlantik gerettet werden oder illegal europäischen Boden erreicht haben, sollen in Drittstaaten insb. auf dem afrikanischen Kontinent gebracht werden, in denen rechtsstaatliche Asylverfahren in Regie der EU oder der UNO stattfinden können. Hier könnten diese Menschen auch EU-Einreisevisa beantragen. Solange solche Regelungen noch nicht greifen, müssen die Staaten an den europäischen Außengrenzen verstärkt darin unterstützt werden, Menschen an dem Versuch zu hindern, illegal nach Europa zu kommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschrechte hat schon in zwei Fällen die Legalität eines solchen Vorgehens bestätigt. Um die Sekundärmigration in der EU einzuschränken, ist eine Angleichung der sozialen Hilfen der Mitgliedstaaten für diese Personengruppen anzustreben.
Eine Politik der offenen Grenzen ist nicht akzeptiert und hat verheerende Folgen. Sie ist eine Überforderung der EU, der Staaten – auch Deutschlands – der Kommunen und der Bevölkerung insgesamt. Der neue EU-Kompromiss soll europaweit umgesetzt werden. Wir sind darauf angewiesen, dass alle EU-Staaten sich an der gemeinsamen Einwanderungspolitik beteiligen. In unserem Memorandum haben wir unseren Ansatz einer humanen und realistischen Flüchtlings-, Asyl- und Einwanderungspolitik beschrieben.
Umwelt- und Klimapolitik
Die Bedeutung biologischer Vielfalt, die Entwicklung einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft, der Schutz der Meere und Ozeane oder der Klimaschutz sind Aufgaben, die nicht nur nationale, sondern auch europäische und sogar globale Interessen betreffen. In der Klimapolitik hat die Koordinationsrolle der EU dazu geführt, die EU pro-Kopf Emissionen auf den Weltdurchschnitt zurückzuführen. Mit der weiteren Absenkung des EU-Anteils an den globalen Emissionen auf ca. 4% in 2030 im Rahmen des
„Green Deal“ rückt nunmehr neben seiner Umsetzung auch die Notwendigkeit in den Vordergrund, ähnliche Anstrengungen auch von anderen Weltregionen einzufordern. Wiederum kommt es dabei auf das Beispiel und das Gewicht der EU an.
Plädoyer
Europa funktioniert erstaunlich gut. Selbst in Bereichen mit eher vage definierter Zusammenarbeit wie in der Außenpolitik, suchen Mitgliedstaaten und EU-Institutionen enge Kooperation. Europas Erfolgsgeheimnis ist Realitätssinn und Pragmatismus. Als Synonym für Kompromiss muss man es daher nicht unkritisch lieben, um dennoch sein glühender Verfechter als Garant von Frieden und wirtschaftlicher Stabilität zu sein.
Wir glauben, dass Europa in seiner gegenwärtigen Verfasstheit handlungsfähig ist. Den Ruf nach Vertragsreformen, z.B. um Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit in der Außenpolitik zu ermöglichen, halten wir für eine Ausflucht vor der Verantwortung, das eigene Narrativ zu stärken. Außenpolitik wird
noch immer wahrgenommen als die Definition nationaler Interessen und die EU sollte es sich nicht zu leicht machen, diese mit dem Mehrheitsprinzip zu überstimmen. Bei vorsätzlicher Sabotage europäischer Politik durch einzelne Mitglieder stehen der Mehrheit andere Möglichkeiten zur Verfügung.
In einer sich schnell wandelnden Welt muss sich Europa gemeinsam behaupten. Das kann nur gelingen, wenn Reformanreize der Mitgliedstaat und wirtschaftlichen Akteure gestärkt, nicht verwässert werden. Wir wollen eine europäische Wirtschaft, die auf Eigeninitiative und Eigenkapital baut und nicht auf Subventionen wartet. Wir wollen eine vertragskonforme Wirtschafts- und Währungsunion, die den Nexus zwischen Banken und Staaten durchtrennt und fiskalische Reformanreize für Mitgliedstaaten stärkt, um Solidaritätsbedarf zum Ausnahmefall werden zu lassen. Wir wollen eine Regionalpolitik, die die Regionen ermächtigt und Bürokratie abbaut. Wir wollen eine Agrarpolitik, die Nachhaltigkeit noch stärker fördert. Wir wollen eine Flüchtlings- und Asylpolitik, die sich auf die Bedürftigen konzentriert und eine chancengerechte Einwanderungspolitik, die in den Herkunftsländern statt an den EU-Außengrenzen stattfindet.
Wir wollen ein Europa mit Augenmaß!
14.09.2023