Grüne Wirtschaftspolitik in Krisenzeiten

Thesenpapier der VERT-Realos für eine wirtschaftspolitische Offensive

Weil es zu lange Stillstand gab, müssen viele Zukunftsfragen jetzt gleichzeitig angegangen werden: Sicherheitspolitik, Klimaschutz – und akut auch die Modernisierung der Wirtschaft. Mit diesem Thesenpapier wollen wir die innergrüne und gesellschaftliche Diskussion anregen, um zügig Antworten zu finden auf die Frage, auf welchen Wegen und mit welchen Maßnahmen wir die Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise und der Klimaherausforderungen ermöglichen können.

Deutschland hat zurzeit eine eklatante Wachstumsschwäche. Auch die
Zukunftsindikatoren sehen nicht sonderlich gut aus.

Deutschland ist aktuell in einer tiefen Wirtschaftskrise. Wir haben eine Zeit erreicht, in der wir unser Land wirtschaftlich dringend wieder in Schwung bringen müssen. Das betrifft uns alle: Unternehmen, Politik, Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen. Wir brauchen eine positive Haltung („ Mindset“) in Deutschland, eine mitreißende, motivierende und faszinierende Zukunftsvision! Wir sollten „weniger reden und mehr machen“! Die Politik muss dafür die Grundlagen legen und Handeln ermöglichen!

Der Sachstand

Wie ist die aktuelle Lage? Deutschland leidet zurzeit an einer eklatanten Wachstumsschwäche, auch die Zukunftsindikatoren sehen nicht besonders aus. Dabei sind die negativen Einschläge der letzten Jahre heftig. Zunächst trafen uns seit Beginn der Coronapandemie die Lieferketten- und Auslandsnachfrageprobleme, die immer noch anhalten.

Eine noch größere Zäsur stellt der schreckliche Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dar. Natürlich betrifft dies zunächst die Ukraine, die dort lebenden Menschen und die dortige Volkswirtschaft. Doch auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland leidet unter Energiepreisproblemen seit Beginn des Krieges. Pandemie und Krieg führten zur Inflation und zu Produktpreisproblemen durch Personalkosten und Vorprodukte. Außerdem trifft uns eine Konsumnachfrageschwäche durch Inflation und Zukunftsängste der Konsumentinnen und Konsumenten. Alles zusammen genommen ist dies ein gefährlicher Cocktail!

Diese kurzfristigen Probleme erschienen sämtlich überraschend. Deshalb konnte man sich auf deren Auswirkungen nicht in aller Tiefe vorbereiten. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn diese Folgen aus Corona-Pandemie, Krieg und Inflation trafen und treffen auf eskalierende, langfristige Versäumnisse aufgrund schleichend verfallender Infrastruktur seit Jahrzehnten. Hinzu kommen eine Zunahme und Verschärfungen der gesetzlichen Regelungen, regelmäßig steigende Berichtspflichten der Unternehmen, immer noch mangelnde Digitalisierung und verschleppte und gleichzeitig eskalierende demographische Probleme vom Fachkräftemangel bis zur Rentenfinanzierung. Diese Versäumnisse sind lange bekannt, werden aber nur unzureichend erkannt und bearbeitet.

Zu den kurzfristigen Problemen und langfristigen Versäumnissen kommen noch Zukunftsthemen hinzu, die die Wirtschaft und die Staatsfinanzen massiv beeinflussen. Es geht um die sozial-ökologische Transformation der Produktion, entsprechend der Klimaanforderungen. Um eine Umstellung hin zur Kreislaufwirtschaft ( „Cradle to cradle“). Um eine massive Aufrü̈stung aufgrund geopolitischer Entwicklungen. Um die Klimaanpassung der Landwirtschaft sowie der gesamten Infrastruktur und des Immobilienbestands. Um Schaffung von ausreichend Wohnraum. Und auch um die ungeklärte Fluchtproblematik.

Das ist die Ausgangslage, mit der wir umzugehen haben. Und das sind die Herausforderungen, die wir lösen müssen. Mutig, pragmatisch, flexibel und unbürokratisch. Wir können das! Wir haben eine starke Wirtschaft in Deutschland – einen verlässlichen Mittelstand und eine innovative Industrie. Und wenn wir uns den dargestellten Problemdruck betrachten, wird klar, dass wir genau dann eine Chance haben erfolgreich damit umzugehen, wenn es uns schnell gelingt, die Wirtschaft wieder in Hochform zu bekommen. Denn nur so werden wir ausreichende Mittel und genügend gesellschaftlichen Optimismus schaffen , um die Aufgaben und Herausforderung der Zukunft anzugehen.

Und jetzt?

Was braucht es aus unserer Sicht für einen solchen Wirtschaftsaufschwung Kurzfristig brauchen wir eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (Vergleich mit der Deutschlandgeschwindigkeit beim LNG-Ausbau), die Einwerbung von und die Verbesserung der Bedingungen für ausländische Fachkräfte, Steuersenkungen für die Unternehmen, eine Verbilligung der Energiekosten für Unternehmen durch Absenkung der Netzkosten, eine erhebliche Verminderung der Berichtspflichten bei Verschärfung der Strafbewehrung, die Sanierung und Verbesserung der Infrastruktur, vor allem der Verkehrsinfrastruktur und die verstärkte Digitalisierung der Verwaltung.

Wie soll das finanziert werden? Mittelfristig setzen wir auf eine deutliche Erhöhung der Steuereinnahmen durch den so zu erreichenden Wachstumspfad und Aufschwung. Einige der Maßnahmen verlangen keine oder kaum zusätzliche Finanzmittel. Die Digitalisierung ist durch Umstellungen im Haushalt zu finanzieren. Für die Steuersenkungen und die dadurch entstehende kurzfristige Minderung der Steuereinnahmen sowie für die Finanzierung der Absenkung der Netzkosten für Unternehmen für 2 -3 Jahre ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse auf Grund der konjunkturellen Notsituation zu machen. Um Deutschland wirtschaftlich wieder stark zu machen und zukunftsfähig aufzustellen sind diese Maßnahmen aus unserer Sicht gegeben.

Denn für die marode Infrastruktur braucht man eine Sonderkonstruktion außerhalb des Haushalts. Diese sollte kreditfinanziert sein und über einen Zeitraum von 40 Jahren durch Zuführungen aus dem Haushalt refinanziert werden. Es ist zu überlegen, die Investitionen des Bundes zukünftig mit Abschreibungen zu versehen und notwendige Ersatz- oder Sanierungsinvestitionen festzuschreiben, damit wir nicht noch einmal in dieselbe Bredouille geraten.

Wir wollen und wir müssen Deutschland wieder wirtschaftlich stark machen, um so auch die europäische Gemeinschaft zu stärken und eine florierende klimaneutrale Wirtschaft zu schaffen. Denn Deutschland mit seinem schnell weniger als 3% werdenden Ausstoß von Klimagasen kann nur als Vorbild (Role Model) zur Erreichung der Klimaziele beitragen.

Wir sind der Überzeugung, dass Wirtschaft und Politik gemeinsam an einem Strang und vor allem in die gleiche Richtung ziehen müssen: in eine nachhaltige Zukunft. Aus dieser Überzeugung heraus müssen wir die wissenschaftlich – technologische Vorreiterfunktion durch Nachweis der Wirtschaftlichkeit klimafreundlicher Produktionsweisen- und Produkte wieder erreichen, so wie es einst der Siegeszug des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgemacht hat.

Fördern und Fordern!

Wir setzen auf steigende Preise für die Emission von Klimagasen und müssen diese sozial durch das Klimageld abfedern. Ohne Klimageld soll es keine neue Regierungsbeteiligung der Grünen geben. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden, braucht es eine Ausweitung des europäischen Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Europa als größter Binnenmarkt der Welt wird dadurch schnelle Klimaanpassungen der Wirtschaftsakteure weltweit induzieren. Das soll unterstützt werden, von einer Vielzahl von Freihandelsabkommen. Wo Subventionen unumgänglich sind, sollten sie soweit möglich aus Steuergutschriften bestehen. So induzieren sie private Investitionen und werden in der Regel nur von Unternehmen in Anspruch genommen, die sich des Erfolgs Ihrer Investition sicher sind.

Erfolge bringen auch Investitionen in Startups – denn die innovativen Ideen von heute sind der erfolgreiche Mittelstand von morgen! Es braucht mehr Anreize für Business Angels und Wagniskapital – zum Beispiel über Wandeldarlehen. Unser Kapital für eine starke Wirtschaft ist unser Gründergeist, unser Unternehmertum und unser Entrepreneur-Mindset – hier braucht es gezielte Förderungen, um auch europäisch und international den Anschluss zu finden.

Deutschland, aber auch Europa haben eine Schwäche und das ist Rohstoffarmut. Über die Freihandelsabkommen hinaus benötigen wir eine Rohstoffstrategie, die zum fairen Austausch mit rohstoffreichen aber technologisch schwachen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas führt. Außerdem muss Deutschland aus Resilienz- wie aus Ökologiegründen auf Rohstoffrecycling setzen.

Hierbei setzen wir den Schwerpunkt auf das effiziente mechanische Recycling, nutzen aber auch das sinnvolle chemische Recycling, ohne das ein erheblicher Teil der Rohstoffe unerreichbar bleiben. Für all das ist ein schneller Aufwuchs der Forschungsausgaben am Bruttosozialprodukt nötig. Israel mit 5% sollte unsere Benchmark sein.

Deutschland kann innovativ, erneuerbar, nachhaltig sein und das in top Qualität! Themen wie Biowirtschaft, Wasserstoffstrategie, Kraftwerksstrategie, Resilienz durch Recycling auch chemisches Recycling, „Cradle to cradle“-Strategie, Freihandelabkommen, Gentechnik, Carbon Capture und Utilization (CCU) / Carbon Capture und Storage (CCS) dürfen wir deshalb den anderen nicht überlassen, sondern müssen selbst aktiv werden. Hier entstehen zukunftsfähige Jobs, hier entsteht Wirtschaftskraft in Deutschland und Wertschöpfung vor allem auch in den ländlichen Regionen. Diese Kraft brauchen wir jetzt und in Zukunft für ein wirtschaftlich erfolgreiches Deutschland in einer starken EU und auf Augenhöhe mit unseren internationalen Partnern.

Statt sich zu blockieren, sollte die Ampel das machen, was gemeinsam geht

Es sieht nach der üblichen Aufstellung aus: Die FDP erneuert vor ihrem Parteitag und angesichts der nahen Europawahl ihre reine wirtschafts-, finanz- und sozialpolitsche Lehre. SPD und Grünen, lehnen den Sparkurs ab, fordern sogar mehr Geld. Gegen Putin, zur Förderung der Wirtschaft, für die Kindergrundsicherung, für die Klimawende und eine bessere Infrastruktur. Das Ergebnis: Das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürger schwindet, der Wunsch nach Protestwahl wächst, die Wirtschaft stagniert, weil keine verlässlichen Linien für Investitionsentscheidungen zu erkennen sind. Und damit ist weder dem Klima, noch der der Wirtschaft oder gar dem ganzen Land, geholfen. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, was auch bedeuten sollte, die übliche Rollenaufstellung, und damit die Ampel-Blockaden jetzt aufzulösen. Zumal, wenn Robert Habeck und Lindner einmütig feststellen, dass die Wirtschaftsleistung und das Potentialwachstum Deutschlands nachlässt. Die Vorschläge des Wirtschaftsministers zur Stärkung der Wirtschaft finden unsere volle Unterstützung: für den Arbeitsmarkt Anreize für ein längeres Arbeiten, die Schaffung einer Investitionsprämie sowie die Einführung eines einheitlichen Flächenkatasters für Gewerbebauflächen, eines „Amortisationskontos“ zur Streckung der Kosten des Netzausbaus und eines Windkraft-Garantieprogramms um die kriselnde Branche zu unterstützen, die teilweise keine Garantien mehr von den Bank bekommen.

Sina Beckmann MdL, KV Friesland
Michael Merkel, KV Bochum
Rainer Lagemann, KV Steinfurt
Tilman Krösche, KV Heidekreis
Jens Marco Scherf, Landrat, KV Miltenberg
Sven Schrade, KV Reutlingen
Elmar Gillet, KV Rhein-Erft
Ulrich Martin Drescher, KV Waldshut
Dr. Marlene Klatt, KV Steinfurt
Rüdiger Warnecke, KV Rhein

Matthias Schimpf, KV Bergstraße
Andreas Bühler, KV Böblingen
Bernhard Müller, KV Aachen
Volker Haese, KV Erzgebirge
Ewald Groth, KV Bochum
Silke Stokar, RV Hannover
Tom Aurnhammer, KV Nürnberg
Mathias Beckmann, KV Friesland
Gerhard Sauer, KV Berlin-Spandau
Robert Levin, OV Osterholz-Scharmbeck

Wolfgang Ottens, KV Friesland
Claus Kreusch, KV Düsseldorf
Klaus-Peter Murawski, KV Nürnberg
Claudius Rafflenbeul-Schaub, KV Miesbach
Dr. Gilbert Sieckmann-Joucken, KV Segeberg
Winfried Karls, KV Bayreuth-Land
Jürgen Roth, KV Siegen
Dr. Matthias Schönhofer, OV Höchstadt/Aich

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