Die wichtigsten vor uns stehenden Aufgaben in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Deutschlands in Europa
Dieses Papier wurde innerhalb der Verts in Zusammenarbeit mit militärisch erfahrenen Fachleuten und Bundeswehrangehörigen erarbeitet. Es richtet sich an sicherheitspolitisch engagierte Parlamentarierinnen, Parlamentarier und Arbeitskreise innerhalb unserer Partei sowie an Fachleute anderer demokratischer Parteien, wissenschaftliche Expertinnen und Experten sowie Angehörige der Bundeswehr. Ziel ist es, zur Entwicklung einer parteiübergreifenden, gesamtgesellschaftlichen Perspektive im Hinblick auf diese große Herausforderung beizutragen. In einer offenen, demokratischen Gesellschaft ist mit Widerspruch zu rechnen – doch eine respektvolle Debatte ist nicht nur notwendig, sondern überfällig.
Ein neuer sicherheitspolitischer Realismus
Als Verteidigungsminister Boris Pistorius am 5. Juni 2024 im Bundestag erklärte: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein […] Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt“, löste diese Klarheit Empörung aus. In einem friedensverwöhnten Land ist es nachvollziehbar, dass solche Worte Irritationen hervorrufen. Doch wir Verts unterstützen Verteidigungsminister Pistorius in der Sache: Nur wenn Deutschland kriegstüchtig ist, kann es sich wirksam verteidigen und den Frieden sichern. Und: Unsere eigene Verteidigungsfähigkeit steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wehrhaftigkeit unserer europäischen Partner.
Wir rufen dazu auf, die sicherheitspolitische Lage nüchtern und ohne Illusionen zu betrachten. Wir verstehen Kriegstüchtigkeit in Sinne von Boris Pistorius als Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und deswegen muss es darum gehen, Deutschland so schnell wie möglich kriegstüchtig zu machen – nicht aus Kriegssehnsucht, sondern als Voraussetzung für Frieden und Stabilität. Darüber hinaus sind die globalen Machtverschiebungen und sicherheitspolitischen Optionen Europas umfassend zu analysieren. Die Forderung von Boris Pistorius ist für uns ein notwendiger, realistischer Schritt in einer veränderten Weltlage.
Was Kriegstüchtigkeit nicht heißt
Damit wir richtig verstanden werden, wollen wir zuerst klären, was kriegstüchtig nicht ist. Es ist keine Rückkehr zu einer imperialistischen Außenpolitik, keine Rückkehr zur obsoleten Formel des 19. und 20. Jahrhunderts, dass Krieg die Fortsetzung der (Interessen-) Politik mit anderen Mitteln sei. Aber wir müssen erkennen und akzeptieren: Krieg kann, wie der Krieg in der Ukraine zeigt, als Fortsetzung von Friedenspolitik mit anderen Mitteln unabwendbar sein. Kriegstüchtigkeit ist nicht das Gegenteil einer friedensorientierten Außenpolitik, sondern deren Voraussetzung und Folge. Nur wenn die Kräfte, die Machtverhältnisse mit Krieg verändern wollen, erwarten müssen, dass sie keine Chance im Angriff gegen ein wehrhaftes Europa als Teil einer wehrhaften NATO haben, werden sie davon absehen, Krieg und Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung zu nutzen.
Kriegstüchtigkeit ist somit das Gegenteil von Kriegsvorbereitung. Sie schreckt den Gegner ab, da jeder militärische Angriff mit umfassenden militärischen Aktionen auch in der Tiefe beantwortet werden kann. Sie besteht aus:
- Truppen, die sich dem Angreifer sofort entgegenstellen können.
- Verstärkungen, die sofort in Marsch gesetzt werden können.
- Eine Bundeswehr, die entlang parlamentarischer Beschlüsse unverzüglich und möglichst eigenständig handeln kann.
- Eine umfangreiche militärisch-technische Ausrüstung der Armee.
- Eine umfassende Unterstützung durch die gesamte Gesellschaft.
Die Aufgabe, vor der wir stehen, ist nicht neu. Im Kalten Krieg war Deutschland kriegstüchtig: 68 NATO-Brigaden, davon 38 Deutsche, waren an der vordersten Frontlinie stationiert, um einem sowjetischen Angriff sofort Widerstand leisten zu können und 56 NATO-Brigaden waren als sofort in Marsch setzbare Verstärkungen verfügbar. Aktuell hat Deutschland 9! aktive Brigaden.
Deshalb gilt: Abschreckung, um niemals Krieg führen zu müssen! Das ist unser Ziel.
Was wir tun müssen
Die Hauptgefahr für den Frieden in Europa geht aktuell von einem aggressiven imperialistischen Russland aus. Putin und die ihn tragende herrschende Schicht wollen Russland zu alter Größe mit allen Mitteln und Brutalität zurückführen und die Vorherrschaft in Europa erringen. Nur ein starkes Europa kann das verhindern und genau darauf richten sich unsere Hauptanstrengungen. Wir sagen allerdings auch: Sollte Russland die Souveränität und Freiheit aller Länder Europas uneingeschränkt anerkennen und sich aus allen besetzten Territorien zurückziehen, werden wir schnellstmöglich auf den Grundlagen des schon einmal verabschiedeten NATO-Russland-Vertrages zu einer Zusammenarbeit zurückkehren. Unsere Hand bleibt ausgestreckt. In der aktuellen Situation ergeben sich für unser Land jedoch große Herausforderungen.
- Schaffung einer die gesamte Gesellschaft erfassenden und gelebten Grundhaltung:
Ja, wir wollen unsere Freiheit und die Freiheit unser Partner und Freunde in der EU verteidigen. Wir wissen und akzeptieren, dass dafür unser Land kriegstüchtig werden muss. Das bedeutet, wir brauchen sehr viele hochqualifizierte Soldaten und Soldatinnen, die bereit sind, für unser Land zu kämpfen und im Ernstfall sogar zu sterben. Wir brauchen Familien, die dazu ja sagen, eine Gesellschaft, die sie besonders hochachtet, unterstützt, umfassend finanziert und bereit ist, dafür selbst auf Vieles zu verzichten. - Deutschland als dienender Anführer der europäischen Verteidigung:
Die europäische Verteidigung muss auf- und ausgebaut werden in allen 5 Dimensionen (Land, See, Luft, Weltraum, Cyberraum) mit einer Überarbeitung der Strategie der verbundenen Systeme. Es wird in der besonderen Verantwortung Deutschlands liegen, die aus der komplizierten Struktur der EU folgenden strukturellen militärischen Schwächen auszugleichen. In Absprache insbesondere mit Frankreich, Polen und dem Vereinigten Königreich Großbritannien muss Deutschland die Rolle eines dienenden Anführers übernehmen. Größe, wirtschaftliche Kraft und geopolitische Position machen dies unabweisbar. Gemeinsam wird diesen Ländern die Verantwortung in Europa zufallen, die bisher die USA übernommen hatten.
Es wäre wünschenswert, wenn sich die Deutsche Bundeswehr im Rahmen europäischer Verträge einem europäischen Kommando unterstellen könnte. Aktuell ist dies jedoch nicht realistisch, wodurch die europäischen Battlegroups, also eine enge Verzahnung der Armeen europäischer Länder in den Mittelpunkt rückt. Um es an einem Beispiel konkret zu machen: Deutschland sollte den europäischen Verbündeten, insbesondere an der Grenze zu Russland, das Modell der Panzerbrigade 45 in Litauen anbieten. Diese deutschen Einheiten würden dann in die Streitkräfte der Verbündeten integriert werden (wie z.B. momentan die niederländischen Brigaden in deutschen Divisionen). In anderen Ländern ihren Dienst abzuleisten, wäre attraktiv für Wehrpflichtige und ein aktiver Beitrag zur europäischen Integration. - Daraus folgt der Ausbau zu einer hochqualifizierten und leistungsfähigen Bundeswehr:
Die Bundeswehr sollte die in den 2-plus-4-Verträgen festgelegten Obergrenze von 370.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten voll ausnutzen, abgesichert durch mehrfach größere Reservetruppen. Dies verlangt die Wieder-, oder besser Neueinführung eines Wehrdienstes, der die Rekrutierung und Ausbildung hochqualifizierter Soldaten sicherstellt. Ohne Wehrdienst wird es nicht möglich sein, die für eine erfolgreiche Verteidigung essentielle Reserve wieder aufzubauen. „Denn die Geschichte zeigt: Die aktive Truppe beginnt im Krieg, die Reserve beendet ihn“ (Markus Laubenthal, stv. Generalinspekteur der Bundeswehr, Handelsblatt 5.3.2024).
Auch über eine Verlängerung des Wehrdienstes (bei guter Bezahlung und Anerkennung der erworbenen Qualifikationen) sollte nachgedacht werden, damit überhaupt die stetig komplexeren Grundqualifikationen vermittelt und eingeübt werden können. Ebenso muss die umfassende und qualitativ hochwertige Ausstattung unserer Armee in allen relevanten Dimensionen in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern sichergestellt werden.
Zur Erinnerung: Am Ende des Kalten Krieges hatte Deutschland mehr Kampfflugzeuge, Panzer, Artillerie, usw. in Schleswig-Holstein und Hamburg stationiert, als heute die gesamte Bundeswehr auf Deutschem Boden. Polen hat heute 21 Kampfbrigaden, das deutsche Heer 8,5. - Auf- und Ausbau des Heimat- und Zivilschutzes:
Das Beispiel der Ukraine hat gezeigt, dass es viel mehr Zivildienende braucht – in der Feuerwehr, in der Flüchtlingshilfe, bei Rettung und Sanitätern, beim Technischem Hilfswerk, bei Instandsetzungseinheiten, bei der Lebensmittelversorgung usw. Am Ende des Kalten Krieges hatte die Bundeswehr ein Territorialheer von 887.500 zur rückwärtigen Absicherung, zur Instandhaltung der Nachschublinien, zur Verwundetenversorgung – viele der Aufgaben des damaligen Territorialheers würden heute dem Zivilschutz übertragen, welcher dann dementsprechend aufgestockt und völlig neu nach den Anforderungen eines integrierten Zivilschutzes strukturiert und koordiniert werden muss.
Es sollte sichergestellt sein, dass zumindest 80 % der Bevölkerung ausreichenden Schutz vor nichtatomaren Angriffen zur Verfügung hat. Die jetzt geplanten 10 Mrd. € für den Schutz von ca. 1 Mio. Menschen können nur ein Anfang sein. Da es völlig unmöglich ist, durch Bunkerbauten einen ausreichenden Schutz der Bevölkerung vor gezielten Bombardements zu erreichen, ist der Wiederaufbau eines umfassenden dreifach gestaffelten Luftverteidigungsgürtels erforderlich – da wir nicht mehr der Frontstaat sind, östlich von Deutschland. Es ist vergleichbar mit dem bis zum Ende des Kalten Krieg vorhandenen „NATO Integrated Air Defence, NATINAD“ System. ABC-Schutz ist mittelfristig nur für zentrale Resilienzbereiche erreichbar.
Vor allem aber muss unsere Infrastruktur gesichert werden. Kraftwerke, Umspannwerke, Pumpstationen, Telekommunikationsnetze usw. All das, was Russland aktuell in der Ukraine angreift, muss bei uns gesichert werden – nicht in erster Linie durch Luftverteidigung – sondern durch Dezentralisierung, die Schaffung von Redundanzen und Reserven, welche derartige Angriffe ins Leere laufen lassen. Erneuerbare Energien sind dafür ein Baustein. Die bisherigen Planungen sind jedoch noch sehr weit von dieser umfassenden Schutzstrategie entfernt. - Transatlantische Kooperation auf neuer Grundlage:
Unterstützung aller Bemühungen, die Verteidigungsgemeinschaft innerhalb der NATO mit den USA aufrecht zu erhalten und neu auszurichten auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der USA, ist jetzt gefragt. Europa wird zunehmend die Verantwortung für den Frieden der eigenen Region selbst übernehmen müssen. Angesichts der Verschiebung des Ringens um die Vorherrschaft in den pazifischen Raum, können und werden die USA den Schutz Europas nicht mehr langfristig gewährleisten. Europa muss die vielfach benannten Fähigkeitslücken füllen, von Aufklärung (inkl. All) über Lufttransporte bis hin zur Waffentechnologie. Europa muss auch alle wesentlichen NATO-Kommanden in Europa selbst übernehmen können (ALLIED AIR COMMAND in Rammstein, JOINT FORCES COMMAND in Neapel, ALIED LAND COMMAND in Izmir.) Trotzdem wird die Stationierung amerikanischer Truppen in Europa und damit auch die atomare Abschreckung auf lange Sicht essentiell bleiben – auch mit Übernahme der Kosten durch Europa. Wie Verantwortung und Kommandostruktur neu aufzustellen sind, ist einvernehmlich mit den USA zu klären. Nur ein starkes Europa wird ein ernstzunehmender und verteidigungswürdiger Partner der USA zum Schutz der gesamten freien Welt bleiben.
Zu klären ist weiter, welche Rolle Europa bei der Verteidigung der Freien Welt in Asien und dem pazifischen Raum zu spielen hat. Wenn die USA erkennen, dass Europa auch hier ein hilfreicher Verbündeter sein kann und will, wäre dies ein Weg, die USA bei der Verteidigung Europas nach dem Prinzip quid pro quo „im Boot“ zu halten. Es könnte am Ende entscheidend sein. - Tiefe Verankerung des gelebten Selbstverständnisses der Bundeswehr in unserer demokratischen Verfassung:
Dabei brauchen wir auch eine neue politische Ausbuchstabierung des Artikels 87a des GG entsprechend der geänderten Welt- und Verteidigungslage. Hier sind Juristinnen und Juristen gefragt, sich damit auseinanderzusetzen und eine erweiterte möglichst umfassende Interpretation der Formen der Verteidigung und der dazugehörenden Maßnahmen des Schutzes von Verbindungslinien, von Verbündeten und der Abschreckung zu entwickeln. Eine Aushöhlung des Artikels darf dabei nicht in Kauf genommen werden. Das Parlament sollte sich dabei auf Grundsatzentscheidungen und Richtlinien und weniger auf Einzeleinsätze, konzentrieren. Die Verteidigung an der Grenze ist nur glaubhaft, wenn sie sofort und umfassend agieren und reagieren kann. Gleichzeitig muss die Bundeswehr, gerade wegen ihrer großen und die gesamte Gesellschaft durchdringenden Bedeutung, der genauen Kontrolle des Parlaments unterliegen.
Wir schlagen deshalb die Einrichtung eines geheim tagenden parlamentarischen Bundeswehrkontrollgremiums vor, dessen Mitglieder allerdings einer Sicherheitsüberprüfung unterliegen müssen. - Aufbau einer nachhaltigen langfristig finanzierten europäischen Rüstungsindustrie:
Europa verschwendet viel Geld mit nationalen Alleingängen. (z.B. 8 unterschiedliche U-Boot Klassen, 7 Fregatten Klassen, und 11 verschiedene Radpanzertypen). Europa gibt mehr als 400 Mrd. € für Rüstung aus und hat 1,2 Mio. Soldaten und Soldatinnen unter Waffen und ist dennoch nicht verteidigungsfähig. Wie kann das sein? Hier bedarf es einer grundlegenden Korrektur, wie im ReARM Europe Programm vorgeschlagen. Deutschland muss dabei in Zusammenarbeit insbesondere mit Frankreich und UK eine führende Rolle bei der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Rüstungsproduktion übernehmen und selbst als erstes Land auf jegliche Sonderwege verzichten. Zur dringend notwendigen kurzfristigen Versorgung mit Rüstungsgütern kann das Prinzip Vorrang für Europa allerdings nicht gelten. - Umfassende militärische Forschung:
Die Entwicklungen neuer militärischer Technologien hat sich stark beschleunigt und beschleunigt sich weiter. Das Gefechtsfeld und die Struktur der verbundenen Systeme verändern sich gerade grundlegend. Drohnen sind dabei nur die Spitze eines Eisbergs. Innovationen haben hier – wie die Ukraine zeigt – eine Haltbarkeit von oft weniger als einem Monat. Wir lehnen es daher ab, dass sich unsere Universitäten zum Teil aus Prinzip nicht mit Rüstungsforschung befassen.- Schwerpunkte werden u.a. sein: Vernetzung verbundener Systeme und Kommunikationshärtung, KI, Schwarmtechnik & Drohnen (-Abwehr); Präzisionsraketen, Weltraumtechnik, Aufklärung, autonome Waffen, Schutz vor biotechnischer Kriegsführung, hybride Kriegsführung und nicht zuletzt Ethik und Völkerrecht
- Es bedarf umfassender EU/UK-weiter Arbeitsteilung und eines Informationsaustausches
- Der IT-technologische und harte Schutz der Forschungseinrichtungen sind dabei eine besondere Herausforderung
- Eine auf Resilienz ausgelegte internationale Bündnis- und Wirtschaftspolitik:
Kriege werden letztlich über die wirtschaftliche Kraft, den Nachschub aus und die Unterstützung von anderen Ländern entschieden. Wir brauchen ein weltweites Netzwerk befreundeter Staaten, die die gleichen Grundsätze eines regelbasierten Welthandels zum gegenseitigen Nutzen, sowie die Prinzipien territorialer Integrität vertreten und aktiv verteidigen. Ressourcen- und Lieferkettensicherung, weitgehend freier Handel und Hilfe im Fall militärischer Aggression stehen dabei im Zentrum. Keine Waffen in Krisengebiete zu liefern hat in dieser Pauschalität keinen Bestand mehr.
Wir begrüßen deshalb die Einrichtung eines Bundessicherheitsrates. Dadurch wird es möglich, in einem ganzheitlichen Verständnis alle die Sicherheit Deutschlands und Europas betreffenden Fragen und Aufgaben notfalls auch sehr schnell zur Klärung und Entscheidung zu bringen.
- Geheimdienste und Feindaufklärung auch zur Verhinderung hybrider Kriegsführung:
Russland hat mit hybriden Angriffen auf Europa längst begonnen. Es versucht Staaten, politische Strömungen und Parteien unter seinen Einfluss zu bringen, die Wirtschaft und Gesellschaft unmittelbar zu schädigen und die Verteidigungsfähigkeit Europas zu schwächen. Russland nutzt Angriffe auf Cyber- und Infrastruktur, betreibt Wahlbeeinflussung, korrumpiert Menschen und Parteien. Es ist nicht auszuschließen, dass es auch 5. Kolonnen und Terrorgruppen rekrutiert und insbesondere im Baltikum wieder auf „little green men“ setzt. Und Russland ist nicht der einzige Aggressor, vor dessen Angriffen wir uns schützen müssen. Wir brauchen dafür neue Abwehrorganisationen.- Die vorhandenen Nachrichtendienste müssen deutlich aufgestockt und besser ausgerüstet werden.
- Wir brauchen special forces, die hybriden Angriffen entgegenwirken können. (Solche Einheiten würden aus Spezialkräften, Militärpolizei sowie einer mittleren Kompanie bestehen)
- Aufbau einer kommunikativen Verteidigung:
Mit der 4. Revolution der Kommunikation (Schrift, Buchdruck, Massenmedien, Social Media) hat sich die Art, wie in Gesellschaften kommuniziert, Meinungen entwickelt, Wahrheiten identifiziert oder verbogen werden, vollständig geändert. Längst werden diese Instrumente von unseren Feinden zur Beeinflussung von Meinungen bis hin zur Schaffung politischer Strömungen und Parteien genutzt. Der Brexit, Wahlbeeinflussungen in den USA, Moldau, Rumänien und anderswo sind eindrückliche Beispiele. Aber auch für die Rekrutierung von Terroristen können sie genutzt werden.
Kommunikation ist nicht mehr nur begleitende Propaganda, sondern eine äußerst wirkungsvolle Waffe geworden, andere Länder zu erobern oder zumindest in ihrer Verteidigungsfähigkeit massiv zu schwächen. Man kann auch von kommunikativer Kriegsführung sprechen. Wir brauchen dafür eine umfassende Abwehr, genauso wie eine aktive Kommunikationsstrategie. Radio Sender “Free Europa” reicht da bei weitem nicht mehr. Am wichtigsten ist jedoch die Schaffung einer ausreichenden Resilienz der eigenen Bevölkerung, ein spezifischer Aufklärungs- und Bildungsauftrag an demokratische Medien und alle Bildungseinrichtungen.
- Sicherstellung der atomaren Abschreckung:
Die Sicherstellung der atomaren Abschreckung ist eine Schlüsselfrage der europäischen Verteidigung, aber sehr komplex mit vielen Implikationen. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Zeit drängt, und halten eine Diskussion darüber, auch in der Bevölkerung, für absolut notwendig.
- Geschwindigkeit ist Trumpf:
In Kriegen entscheidet häufig nicht die besser ausgestattete und die größere Armee, sondern oft die schnellere. Europa hat das noch nicht verstanden. Sollte es zu einem Waffenstillstand mit der Ukraine in absehbarer Zeit kommen, könnte Russland die 1.000 Panzer und 100.000nde Drohnen, die es gegenwärtig pro Jahr produziert und in der Ukraine verbraucht, für einen Angriff gegen die baltischen Staaten, die Achillesferse der NATO, einsetzen.
Russland weiß, dass es gegen die militärische und wirtschaftliche Macht Europas auf längere Sicht nicht bestehen kann, es sei denn, es beginnt einen Krieg, bevor der Westen gerüstet ist. Russland hat nach dem Krieg in der Ukraine eine auch im Drohnenkrieg sehr erfahrenen Armee. Russland investiert sehr viel Geld in die Aufrüstung, wohingegen der europäische Westen noch nicht einmal bei 2 % des BIP angekommen ist. Wenn Verteidigungsminister Pistorius von zusätzlich 60-80.000 Soldaten und Soldatinnen in den nächsten 15 Jahren spricht, wenn Deutschland bis 2027 gerade eine einzige Brigade nach Lettland verlegen kann, wenn die SPD sich weigert, über die Wehrpflicht in dieser Legislaturperiode überhaupt zu sprechen, dann ist offensichtlich, dass die Bedrohungslage immer noch nicht erkannt ist. Man muss Boris Pistorius zugutehalten, dass er in Nebensätzen immer wieder auf die Problematik hinweist.
Wir haben die Diskussion darüber, was die Zeitenwende eigentlich bedeutet, seit dem Angriff auf die Ukraine über 3 Jahre versäumt und wir werden wieder Jahre versäumen, wenn wir nicht schnellstens zu einer breiten Debatte kommen. Wir müssen bei der Kriegsfähigkeit das neue Deutschlandtempo einlegen, wie es bei der Notversorgung mit Gas gelungen ist. Unsere Planungen und Maßnahmen sollten auf einen Zeithorizont von max. 4 Jahre ausgerichtet sein. Danach müssen wir gegenüber einer hochgerüsteten und kriegserfahrenen Armee, die mit äußerster Brutalität auch gegenüber ihren eigenen Soldaten agiert, voll verteidigungsfähig sein.
- Neuordnung der Strukturen – Effizienz und Reaktionsfähigkeit der Bundeswehr stärken:
Kriegstüchtigkeit bedeutet nicht nur mehr Geld und mehr Material – sie verlangt vor allem eins: funktionierende, moderne Strukturen. Ohne eine grundlegende Neuordnung der inneren Organisation, Entscheidungswege und Verwaltungsprozesse der Bundeswehr werden selbst massive Investitionen ins Leere laufen. Vielerorts bestehen noch Strukturen und Abläufe, die auf die Logik des Kalten Krieges oder auf Einsätze mit langfristiger Vorbereitung ausgerichtet sind. In einer Welt, in der hybride Angriffe, Cyberoperationen und schnelle militärische Reaktionen Alltag sind, ist dies nicht mehr hinnehmbar.
Wir brauchen eine agile, reaktionsfähige Bundeswehr mit einer verschlankten, aber durchsetzungsstarken Führung. Entscheidungsprozesse müssen beschleunigt, Zuständigkeiten klar geregelt und überbürokratisierte Abläufe entschlackt werden. Die Zeiten, in denen selbst einfache Beschaffungsentscheidungen Jahre dauerten, müssen der Vergangenheit angehören. Es braucht eine Kultur der Verantwortungsübernahme – sowohl politisch als auch militärisch – statt des Verweisens auf komplexe Vorschriften oder Zuständigkeiten.
Dazu gehört auch eine kritische Bestandsaufnahme der bisherigen Kommandostrukturen, eine Stärkung der operativen Führungsebenen sowie eine effektive Verzahnung von zivilen und militärischen Planungen, etwa im Bereich des territorialen Heimatschutzes oder bei der Koordination mit Bündnispartnern. Die Bundeswehr muss in der Lage sein, im Ernstfall schnell, koordiniert und mit maximaler Effizienz zu handeln – dafür brauchen wir jetzt eine umfassende Strukturreform.
Was die Aufgaben der Politik sind
Wir maßen uns nicht an, besser als die Bundeswehrführung zu wissen, was im militärischen Bereich zu tun ist. Im Gegenteil, wir wollen im Gespräch mit der Bundeswehr und uns verbundenen Militärs die Aufgaben der Politik bei der Herstellung der Kriegstüchtigkeit klar, nachhaltig und strategisch wirkungsvoll herausarbeiten.
Die Aufgabe der Politik ist es letztlich die strategischen Ziele zu definieren, ausreichend Mittel dafür zur Verfügung zu stellen und die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen in die Wege zu leiten. In der Verantwortung der Bundeswehr liegt es, so schnell und so effizient wie möglich, diese Ziele, also die umfassende Verteidigung Europas gemeinsam mit unseren Partnern aufzubauen.
Wir verkennen dabei nicht die Herkulesaufgabe, von einer Armee im Frieden wieder hin zu einer kampfbereiten Armee zur Sicherung des Friedens – also kriegstüchtig zu werden.
Juli 2025
Verts
Rüdiger Warnecke – KV Rhein Erft | Bernhard Müller – KV Aachen | Jochen Sauer – KV Braunschweig |
Dietmar Hüsemann-Menge – KV Steglitz-Zehlendorf | Silke Stokar – KV Hannover Stadt | Holger Heimann – KV Heidelberg |
Rainer Lagemann – KV Steinfurt | Yohanna Rahel Hirschfeld – KV Hamburg-Altona | Sina Beckmann – KV Friesland |
Tilman Krösche – KV Heidekreis | Michael Merkel – KV Bochum | Daniel Beer – KV Celle |
Ulrich Martin Drescher -KV Waldshut | Rebecca Harms – KV Lüchow-Dannenberg | Sebastian von Schwerin – KV Breisgau-Hochschwarzwald |
Jürgen Roth – KV Siegen | Christian Sandau – KV Tempelhof Schöneberg | Horst Haller – KV Renningen |
Dr. Marlene Klatt – KV Steinfurt | Oliver Held – KV Märkischer Kreis | Hajo von Kracht, Zürich |
Matthias Arlt – KV Freiburg | Claudius Rafflenbeul-Schaub – KV Miesbach | Bärbel Heimann – KV Heidelberg |
Robert Levin – KV Osterholz-Scharmbeck | Jörg Heinrich Penner – KV Hamburg-Harburg | Hermann Kuhn – KV Bremen Mitte-Östliche Vorstadt |
Helga Trüpel – KV Bremen Mitte-Östliche Vorstadt | Meinolf Block – KV Heidelberg | Wolfgang Ottens – KV Friesland |
Mathias Beckmann – KV Friesland | Nikolaus Huss – KV Tempelhof Schöneberg | Fabian Gödelmann – KV Stuttgart |
Gerhard Sauer – KV Spandau | Florian Thamann – KV Vechta | Uschi Eid – KV Esslingen |
Dr. Gilbert Sieckmann-Joucken – KV Segeberg | Ewald Groth – KV Bochum | Walter Otte – KV Friedrichshain- Kreuzberg |
Andreas Bühler – KV Böblingen | Phillip Krämer – KV Darmstadt | Klaus-Peter Murawski – KV Nürnberg |
Martin Wolf – KV Miesbach | Alex Rhode – KV Freyung-Grafenau | Johannes F. Kretschmann – KV Sigmaringen |
Dorothea Deutsch – KV Miesbach | Britta Jacob – KV Dachau | Jan Schollmeier – KV Bamberg-Stadt |
Claus Kreusch – KV Düsseldorf | Uwe Josuttis – KV Kassel-Stadt | Axel Kittel – KV Oldenburg |
Christian Reuter – KV Hannover | Hannelore Lenze-Walter – KV Soest | Andreas Spengler – KV Gütersloh |
Lenard Herzog – KV Karlsruhe Stadt |
Jan Schischke – Ilmenau | Karen Hedergott – Moers | |
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